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Die Welt als Wille und Vorstellung

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64496 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 1421<br />

Metaphysik der ersten <strong>und</strong> der zweiten Art knüpft<br />

sich noch folgender. Ein System der ersten Art, <strong>als</strong>o<br />

eine Philosophie, macht den Anspruch, <strong>und</strong> hat daher<br />

die Verpflichtung, in Allem, was sie sagt, sensu stricto<br />

et proprio wahr zu seyn: denn sie wendet sich an<br />

das Denken <strong>und</strong> die Ueberzeugung. Eine Religion<br />

hingegen, für die Unzähligen bestimmt, welche, der<br />

Prüfung <strong>und</strong> des Denkens unfähig, die tiefsten <strong>und</strong><br />

schwierigsten Wahrheiten sensu proprio nimmermehr<br />

fassen würden, hat auch nur die Verpflichtung sensu<br />

allegorico wahr zu seyn. Nackt kann die Wahrheit<br />

vor dem Volke nicht erscheinen. Ein Symptom dieser<br />

allegorischen Natur der Religionen sind die vielleicht<br />

in jeder anzutreffenden Mysterien, nämlich gewisse<br />

Dogmen, die sich nicht ein Mal deutlich denken<br />

lassen, geschweige wörtlich wahr seyn können. Ja,<br />

vielleicht ließe sich behaupten, daß einige völlige Widersinnigkeiten,<br />

einige wirkliche Absurditäten, ein<br />

wesentliches Ingredienz einer vollkommenen Religion<br />

seien: denn diese sind eben der Stämpel ihrer allegorischen<br />

Natur <strong>und</strong> die allein passende Art, dem gemeinen<br />

Sinn <strong>und</strong> rohen Verstande fühlbar zu machen,<br />

was ihm unbegreiflich wäre, nämlich daß die Religion<br />

im Gr<strong>und</strong>e von einer ganz andern, von einer Ordnung<br />

der Dinge an sich handelt, vor welcher die Gesetze<br />

dieser Erscheinungswelt, denen gemäß sie sprechen<br />

muß, verschwinden, <strong>und</strong> daß daher nicht bloß die wi-<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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