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Die Welt als Wille und Vorstellung

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63602 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 527<br />

hende Egoismus eben damit erstirbt, wodurch nunmehr<br />

die vorhin so gewaltigen Motive ihre Macht verlieren,<br />

<strong>und</strong> statt ihrer die vollkommene Erkenntniß<br />

des Wesens der <strong>Welt</strong>, <strong>als</strong> Quietiv des <strong>Wille</strong>ns wirkend,<br />

die Resignation herbeiführt, das Aufgeben,<br />

nicht bloß des Lebens, sondern des ganzen <strong>Wille</strong>ns<br />

zum Leben selbst. So sehn wir im Trauerspiel zuletzt<br />

die Edelsten, nach langem Kampf <strong>und</strong> Leiden, den<br />

Zwecken, die sie bis dahin so heftig verfolgten, <strong>und</strong><br />

allen den Genüssen des Lebens auf immer entsagen,<br />

oder es selbst willig <strong>und</strong> freudig aufgeben: so den<br />

standhaften Prinzen des Calderon; so das Gretchen im<br />

»Faust«; so den Hamlet, dem sein Horatio willig folgen<br />

möchte, welchen aber jener bleiben <strong>und</strong> noch eine<br />

Weile in dieser rauhen <strong>Welt</strong> mit Schmerzen athmen<br />

heißt, um Hamlets Schicksal aufzuklären <strong>und</strong> dessen<br />

Andenken zu reinigen; – so auch die Jungfrau von Orleans,<br />

die Braut von Messina: sie alle sterben durch<br />

Leiden geläutert, d.h. nachdem der <strong>Wille</strong> zu leben<br />

zuvor in ihnen erstorben ist; im »Mohammed« von<br />

Voltaire spricht sich <strong>Die</strong>ses sogar wörtlich aus in den<br />

Schlußworten, welche die sterbende Palmira dem Mohammed<br />

zuruft: »<strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> ist für Tyrannen: Lebe<br />

Du!« – Hingegen beruht die Forderung der sogenannten<br />

poetischen Gerechtigkeit auf gänzlichem Verkennen<br />

des Wesens des Trauerspiels, ja selbst des Wesens<br />

der <strong>Welt</strong>. Mit Dreistigkeit tritt sie in ihrer gan-<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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