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Die Welt als Wille und Vorstellung

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63882 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 807<br />

alles Lebens, nicht des eigenen allein. Doch kann solche<br />

Erkenntniß durch selbsterfahrenes Leiden zuerst<br />

erweckt seyn, besonders durch ein einziges großes;<br />

wie den Petrarka ein einziger unerfüllbarer Wunsch<br />

zu jener resignirten Trauer über das ganze Leben gebracht<br />

hat, die uns aus seinen Werken so rührend anspricht:<br />

denn die Daphne, welche er verfolgte, mußte<br />

seinen Händen entschwinden, um statt ihrer ihm den<br />

unsterblichen Lorbeer zurückzulassen. Wenn durch<br />

eine solche große <strong>und</strong> unwiderrufliche Versagung<br />

vom Schicksal der <strong>Wille</strong> In gewissem Grade gebrochen<br />

ist; so wird im Uebrigen fast nichts mehr gewollt,<br />

<strong>und</strong> der Charakter zeigt sich sanft, traurig, edel,<br />

resignirt. Wann endlich der Gram keinen bestimmten<br />

Gegenstand mehr hat, sondern über das Ganze des<br />

Lebens sich verbreitet; dann ist er gewissermaaßen<br />

ein In-sich-gehn, ein Zurückziehn, ein allmäliges Verschwinden<br />

des <strong>Wille</strong>ns, dessen Sichtbarkeit, den<br />

Leib, er sogar leise, aber im Innersten untergräbt,<br />

wobei der Mensch eine gewisse Ablösung seiner Banden<br />

spürt, ein sanftes Vorgefühl des sich <strong>als</strong> Auflösung<br />

des Leibes <strong>und</strong> des <strong>Wille</strong>ns zugleich ankündigenden<br />

Todes; daher diesen Gram eine heimliche<br />

Freude begleitet, welche es, wie ich glaube, ist, die<br />

das melancholischeste aller Völker the joy of grief genannt<br />

hat. Doch liegt eben auch hier die Klippe der<br />

Empfindsamkeit, sowohl im Leben selbst, <strong>als</strong> in des-<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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