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Die Welt als Wille und Vorstellung

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65401 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 2326<br />

es geeignet ist, ihn von der Sucht, deren Darstellung<br />

jede individuelle Existenz ist, zu befreien <strong>und</strong> ihn<br />

dahin zu führen, daß er vom Leben scheidet, ohne den<br />

Wunsch nach ihm <strong>und</strong> seinen Freuden zurückzubehalten.<br />

Das Leiden ist in der That der Läuterungsproceß,<br />

durch welchen allein, in den meisten Fällen, der<br />

Mensch geheiligt, d.h. von dem Irrweg des <strong>Wille</strong>ns<br />

zum Leben zurückgeführt wird. Dem entsprechend<br />

wird in den Christlichen Erbauungsbüchern so oft die<br />

Heilsamkeit des Kreuzes <strong>und</strong> Leidens erörtert <strong>und</strong> ist<br />

überhaupt sehr passend das Kreuz, ein Werkzeug des<br />

Leidens, nicht des Thuns, das Symbol der Christlichen<br />

Religion. Ja, schon der noch jüdische, aber so<br />

philosophische Koheleth sagt mit Recht: »Es ist Trauern<br />

besser, denn Lachen: denn durch Trauern wird das<br />

Herz gebessert« (Prediger Salomo, 7, 3). Unter der<br />

Bezeichnung des deuteros plous habe ich das Leiden<br />

gewissermaaßen <strong>als</strong> ein Surrogat der Tugend <strong>und</strong> Heiligkeit<br />

dargestellt: hier aber muß ich das kühne Wort<br />

aussprechen, daß wir, Alles wohl erwogen, für unser<br />

Heil <strong>und</strong> Erlösung mehr zu hoffen haben von Dem,<br />

was wir leiden, <strong>als</strong> von Dem, was wir thun. Gerade in<br />

diesem Sinne sagt Lamartine, in seiner Hymne à la<br />

douleur, den Schmerz anredend, sehr schön:<br />

Tu me traites sans doute en favori des cieux,<br />

Car tu n'épargnes pas les larmes à mes yeux.<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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