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Die Welt als Wille und Vorstellung

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63604 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 529<br />

nämlich geschehn durch außerordentliche, an die äußersten<br />

Gränzen der Möglichkeit streifende Bosheit<br />

eines Charakters, welcher der Urheber des Unglücks<br />

wird; Beispiele dieser Art sind: Richard III, Jago im<br />

»Othello«, Shylok im »Kaufmann von Venedig«,<br />

Franz Moor, Phädra des Euripides, Kreon in der »Antigone«,<br />

u. dgl. m. Es kann ferner geschehn durch<br />

blindes Schicksal, d.i. Zufall oder Irrthum: von dieser<br />

Art ist ein wahres Muster der König Oedipus des Sophokles,<br />

auch die Trachinerinnen, <strong>und</strong> überhaupt gehören<br />

die meisten Tragödien der Alten hieher: unter<br />

den Neuem sind Beispiele: »Romeo <strong>und</strong> Juliet«,<br />

»Tankred« von Voltaire, »<strong>Die</strong> Braut von Messina«.<br />

Das Unglück kann aber endlich auch herbeigeführt<br />

werden durch die bloße Stellung der Personen gegen<br />

einander, durch ihre Verhältnisse; so daß es weder<br />

eines ungeheuren Irrthums, oder eines unerhörten Zufalls,<br />

noch auch eines die Gränzen der Menschheit im<br />

Bösen erreichenden Charakters bedarf; sondern Charaktere<br />

wie sie in moralischer Hinsicht gewöhnlich<br />

sind, unter Umständen, wie sie häufig eintreten, sind<br />

so gegen einander gestellt, daß ihre Lage sie zwingt,<br />

sich gegenseitig, wissend <strong>und</strong> sehend, das größte Unheil<br />

zu bereiten, ohne daß dabei das Unrecht auf irgend<br />

einer Seite ganz allein sei. <strong>Die</strong>se letztere Art<br />

scheint mir den beiden andern weit vorzuziehn: denn<br />

sie zeigt uns das größte Unglück nicht <strong>als</strong> eine Aus-<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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