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Die Welt als Wille und Vorstellung

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64976 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 1901<br />

eine barbarische Vermessenheit, welche man durchaus<br />

nicht gelten lassen darf. Wie wohlthätig wirkt<br />

doch auf unsern Geist, nach dem Anschauen solcher<br />

Gothischer Herrlichkeiten, der Anblick eines regelrechten,<br />

im antiken Stil aufgeführten Gebäudes! Wir<br />

fühlen sogleich, daß dies das allein Rechte <strong>und</strong> Wahre<br />

ist. Könnte man einen alten Griechen vor unsere berühmtesten<br />

Gothischen Kathedralen führen; was<br />

würde er wohl dazu sagen? – Barbaroi! – Unser<br />

Wohlgefallen an Gothischen Werken beruht ganz<br />

gewiß größten Theils auf Gedankenassociationen <strong>und</strong><br />

historischen Erinnerungen, <strong>als</strong>o auf einem der Kunst<br />

fremden Gefühl. Alles was ich vom eigentlich ästhetischen<br />

Zweck, vom Sinn <strong>und</strong> Thema der Baukunst gesagt<br />

habe, verliert bei diesen Werken seine Gültigkeit.<br />

Denn das frei liegende Gebälk ist verschw<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

mit ihm die Säule: Stütze <strong>und</strong> Last, geordnet <strong>und</strong> vertheilt,<br />

um den Kampf zwischen Starrheit <strong>und</strong> Schwere<br />

zu veranschaulichen, sind hier nicht mehr das Thema.<br />

Auch ist jene durchgängige, reine Rationalität, vermöge<br />

welcher Alles strenge Rechenschaft zuläßt, ja, sie<br />

dem denkenden Beschauer schon von selbst entgegenbringt,<br />

<strong>und</strong> welche zum Charakter des antiken Baustils<br />

gehört, hier nicht mehr zu finden: wir werden<br />

bald inne, daß hier, statt ihrer, eine von fremdartigen<br />

Begriffen geleitete Willkür gewaltet hat; daher Vieles<br />

uns unerklärt bleibt. Denn nur der antike Baustil ist in<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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