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Die Welt als Wille und Vorstellung

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65238 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 2163<br />

auffallende Nachsicht zu verweisen, welche der Heiland<br />

im Evangelio der Ehebrecherin widerfahren läßt,<br />

indem er zugleich die selbe Schuld bei allen Anwesenden<br />

voraussetzt. – Der größte Theil des Dekameron<br />

erscheint, von diesem Gesichtspunkt aus, <strong>als</strong> bloßer<br />

Spott <strong>und</strong> Hohn des Genius der Gattung über die<br />

von ihm mit Füßen getretenen Rechte <strong>und</strong> Interessen<br />

der Individuen, – Mit gleicher Leichtigkeit werden<br />

Standesunterschiede <strong>und</strong> alle ähnlichen Verhältnisse,<br />

wann sie der Verbindung leidenschaftlich Liebender<br />

entgegenstehn, beseitigt <strong>und</strong> für nichtig erklärt vom<br />

Genius der Gattung, der seine, endlosen Generationen<br />

angehörenden Zwecke verfolgend solche Menschensatzungen<br />

<strong>und</strong> Bedenken wie Spreu wegbläst. Aus<br />

dem selben tief liegenden Gr<strong>und</strong>e wird, wo es die<br />

Zwecke verliebter Leidenschaft gilt, jede Gefahr willig<br />

übernommen <strong>und</strong> selbst der sonst Zaghafte wird<br />

hier muthig. – Auch im Schauspiele <strong>und</strong> im Roman<br />

sehn wir, mit freudigem Antheil, die jungen Leute,<br />

welche ihre Liebeshändel, d.i. das Interesse der Gattung,<br />

verfechten, den Sieg davontragen über die<br />

Alten, welche nur auf das Wohl der Individuen bedacht<br />

sind. Denn das Streben der Liebenden scheint<br />

uns um so viel wichtiger, erhabener <strong>und</strong> deshalb gerechter,<br />

<strong>als</strong> jedes ihm etwan entgegenstehende, wie die<br />

Gattung bedeutender ist, <strong>als</strong> das Individuum. Demgemäß<br />

ist das Gr<strong>und</strong>thema fast aller Komödien das Auf-<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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