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Die Welt als Wille und Vorstellung

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63795 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 720<br />

so würde ihr Schicksal, im Ganzen genommen, nicht<br />

so traurig seyn. In diesem Sinne können wir sagen:<br />

die <strong>Welt</strong> selbst ist das <strong>Welt</strong>gericht. Könnte man allen<br />

Jammer der <strong>Welt</strong> in eine Waagschaale legen, <strong>und</strong> alle<br />

Schuld der <strong>Welt</strong> in die andere; so würde gewiß die<br />

Zunge einstehn.<br />

Freilich aber stellt sich der Erkenntniß, so wie sie,<br />

dem <strong>Wille</strong>n zu seinem <strong>Die</strong>nst entsprossen, dem Individuo<br />

<strong>als</strong> solchem wird, die <strong>Welt</strong> nicht so dar, wie sie<br />

dem Forscher zuletzt sich enthüllt, <strong>als</strong> die Objektität<br />

des einen <strong>und</strong> alleinigen <strong>Wille</strong>ns zum Leben, der er<br />

selbst ist; sondern den Blick des rohen Individuums<br />

trübt, wie die Inder sagen, der Schleier der Maja: ihm<br />

zeigt sich, statt des Dinges an sich, nur die Erscheinung,<br />

in Zeit <strong>und</strong> Raum, dem principio individuationis,<br />

<strong>und</strong> in den übrigen Gestaltungen des Satzes vom<br />

Gr<strong>und</strong>e: <strong>und</strong> in dieser Form seiner beschränkten Erkenntniß<br />

sieht er nicht das Wesen der Dinge, welches<br />

Eines ist, sondern dessen Erscheinungen, <strong>als</strong> gesondert,<br />

getrennt, unzählbar, sehr verschieden, ja entgegengesetzt.<br />

Da erscheint ihm die Wollust <strong>als</strong> Eines,<br />

<strong>und</strong> die Quaal <strong>als</strong> ein ganz Anderes, dieser Mensch<br />

<strong>als</strong> Peiniger <strong>und</strong> Mörder, jener <strong>als</strong> Dulder <strong>und</strong> Opfer,<br />

das Böse <strong>als</strong> Eines <strong>und</strong> das Uebel <strong>als</strong> ein Anderes. Er<br />

sieht den Einen in Freuden, Ueberfluß <strong>und</strong> Wollüsten<br />

leben, <strong>und</strong> zugleich vor dessen Thüre den Andern<br />

durch Mangel <strong>und</strong> Kälte quaalvoll sterben. Dann fragt<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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