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Die Welt als Wille und Vorstellung

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65000 Schopenhauer: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 1925<br />

Werkstätte der Poeten sehn; so würden wir zehn Mal<br />

öfter finden, daß der Gedanke zum Reim, <strong>als</strong> daß der<br />

Reim zum Gedanken gesucht wird: <strong>und</strong> selbst im letztem<br />

Fall geht es nicht leicht ohne Nachgiebigkeit von<br />

Seiten des Gedankens ab. – <strong>Die</strong>sen Betrachtungen<br />

bietet jedoch die Verskunst Trotz, <strong>und</strong> hat dabei alle<br />

Zeiten <strong>und</strong> Völker auf ihrer Seite: so groß ist die<br />

Macht, welche Metrum <strong>und</strong> Reim auf das Gemüth<br />

ausüben, <strong>und</strong> so wirksam das ihnen eigene, geheimnißvolle<br />

lenocinium. Ich möchte <strong>Die</strong>ses daraus erklären,<br />

daß ein glücklich gereimter Vers, durch seine unbeschreiblich<br />

emphatische Wirkung, die Empfindung<br />

erregt, <strong>als</strong> ob der darin ausgedrückte Gedanke schon<br />

in der Sprache prädestinirt, ja präformirt gelegen <strong>und</strong><br />

der Dichter ihn nur herauszufinden gehabt hätte.<br />

Selbst triviale Einfälle erhalten durch Rhythmus <strong>und</strong><br />

Reim einen Anstrich von Bedeutsamkeit, <strong>und</strong> figuriren<br />

in diesem Schmuck, wie unter den Mädchen Alltagsgesichter<br />

durch den Putz die Augen fesseln. Ja,<br />

selbst schiefe <strong>und</strong> f<strong>als</strong>che Gedanken gewinnen durch<br />

die Versifikation einen Schein von Wahrheit. Andererseits<br />

wieder schrumpfen sogar berühmte Stellen<br />

aus berühmten Dichtern zusammen <strong>und</strong> werden unscheinbar,<br />

wenn getreu in Prosa wiedergegeben. Ist<br />

nur das Wahre schön, <strong>und</strong> ist der liebste Schmuck der<br />

Wahrheit die Nacktheit; so wird ein Gedanke, der in<br />

Prosa groß <strong>und</strong> schön auftritt, mehr wahren Werth<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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