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Arthur Schopenhauer - Die Welt als Wille und Vorstellung

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64967 <strong>Schopenhauer</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 1892<br />

Ecken mancher, im geschmackvollen Stil der »Jetztzeit«<br />

erbauten Häuser hinausgeschobenen Erker dem<br />

Auge dar. Man sieht nicht was sie trägt: sie scheinen<br />

zu schweben <strong>und</strong> beunruhigen das Gemüth.<br />

Daß in Italien sogar die einfachsten <strong>und</strong> schmucklosesten<br />

Gebäude einen ästhetischen Eindruck machen,<br />

in Deutschland aber nicht, beruht hauptsächlich<br />

darauf, daß dort die Dächer sehr flach sind. Ein hohes<br />

Dach ist nämlich weder Stütze noch Last, denn seine<br />

beiden Hälften unterstützen sich gegenseitig, das<br />

Ganze aber hat kein seiner Ausdehnung entsprechendes<br />

Gewicht. Daher bietet es dem Auge eine ausgebreitete<br />

Masse dar, die dem ästhetischen Zwecke völlig<br />

fremd, bloß dem nützlichen dient, mithin jenen<br />

stört, dessen Thema immer nur Stütze <strong>und</strong> Last ist.<br />

<strong>Die</strong> Form der Säule hat ihren Gr<strong>und</strong> allein darin,<br />

daß sie die einfachste <strong>und</strong> zweckmäßigste Stütze liefert.<br />

In der gew<strong>und</strong>enen Säule tritt die Zweckwidrigkeit<br />

wie absichtlich trotzend <strong>und</strong> daher unverschämt<br />

auf: deswegen bricht der gute Geschmack, beim ersten<br />

Anblick, den Stab über sie. Der viereckige Pfeiler hat,<br />

da die Diagonale die Seiten übertrifft, ungleiche Dimensionen<br />

der Dicke, die durch keinen Zweck motivirt,<br />

sondern durch die zufällig leichtere Ausführbarkeit<br />

veranlaßt sind: darum eben gefällt er uns so sehr<br />

viel weniger, <strong>als</strong> die Säule. Schon der sechs- oder<br />

achteckige Pfeiler ist gefälliger; weil er sich der run-<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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