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Arthur Schopenhauer - Die Welt als Wille und Vorstellung

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63415 <strong>Schopenhauer</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 340<br />

Charakter durch die bloße Gestalt ausspricht <strong>und</strong><br />

offen darlegt, ihr ganzes Seyn <strong>und</strong> Wollen offenbart,<br />

wodurch die Physiognomien der Pflanzen so interessant<br />

sind; während das Thier, um seiner Idee nach erkannt<br />

zu werden, schon in seinem Thun <strong>und</strong> Treiben<br />

beobachtet, der Mensch vollends erforscht <strong>und</strong> versucht<br />

seyn will, da ihn Vernunft der Verstellung in<br />

hohem Grade fähig macht. Das Thier ist um eben so<br />

viel naiver <strong>als</strong> der Mensch, wie die Pflanze naiver ist<br />

<strong>als</strong> das Thier. Im Thiere sehn wir den <strong>Wille</strong>n zum<br />

Leben gleichsam nackter, <strong>als</strong> im Menschen, wo er mit<br />

so vieler Erkenntniß überkleidet <strong>und</strong> zudem durch die<br />

Fähigkeit der Verstellung verhüllt ist, daß sein wahres<br />

Wesen fast nur zufällig <strong>und</strong> stellenweise zum Vorschein<br />

kommt. Ganz nackt, aber auch viel schwächer,<br />

zeigt er sich in der Pflanze, <strong>als</strong> bloßer, blinder Drang<br />

zum Daseyn, ohne Zweck <strong>und</strong> Ziel. Denn diese offenbart<br />

ihr ganzes Wesen dem ersten Blick <strong>und</strong> mit vollkommener<br />

Unschuld, die nicht darunter leidet, daß sie<br />

die Genitalien, welche bei allen Thieren den verstecktesten<br />

Platz erhalten haben, auf ihrem Gipfel zur<br />

Schau trägt. <strong>Die</strong>se Unschuld der Pflanze beruht auf<br />

ihrer Erkenntnißlosigkeit: nicht im Wollen, sondern<br />

im Wollen mit Erkenntniß liegt die Schuld. Jede<br />

Pflanze erzählt nun zunächst von ihrer Heimath, dem<br />

Klima derselben <strong>und</strong> der Natur des Bodens, dem sie<br />

entsprossen ist. Daher erkennt selbst der wenig Geüb-<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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