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Arthur Schopenhauer - Die Welt als Wille und Vorstellung

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63594 <strong>Schopenhauer</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 519<br />

haupt der Dichter der allgemeine Mensch: Alles, was<br />

irgend eines Menschen Herz bewegt hat, <strong>und</strong> was die<br />

menschliche Natur, in irgend einer Lage, aus sich hervortreibt,<br />

was irgendwo in einer Menschenbrust<br />

wohnt <strong>und</strong> brütet – ist sein Thema <strong>und</strong> sein Stoff; wie<br />

daneben auch die ganze übrige Natur. Daher kann der<br />

Dichter so gut die Wollust, wie die Mystik besingen,<br />

Anakreon, oder Angelus Silesius seyn, Tragödien,<br />

oder Komödien schreiben, die erhabene, oder die gemeine<br />

Gesinnung darstellen, – nach Laune <strong>und</strong> Beruf.<br />

Demnach darf Niemand dem Dichter vorschreiben,<br />

daß er edel <strong>und</strong> erhaben, moralisch, fromm, christlich,<br />

oder <strong>Die</strong>s oder Das seyn soll, noch weniger ihm vorwerfen,<br />

daß er <strong>Die</strong>s <strong>und</strong> nicht jenes sei. Er ist der<br />

Spiegel der Menschheit, <strong>und</strong> bringt ihr was sie fühlt<br />

<strong>und</strong> treibt zum Bewußtseyn.<br />

Betrachten wir nun das Wesen des eigentlichen<br />

Liedes näher <strong>und</strong> nehmen dabei treffliche <strong>und</strong> zugleich<br />

reine Muster zu Beispielen, nicht solche, die<br />

sich schon einer andern Gattung, etwan der Romanze,<br />

der Elegie, der Hymne, dem Epigramm u.s.w. irgendwie<br />

nähern; so werden wir finden, daß das eigenthümliche<br />

Wesen des Liedes im engsten Sinne folgendes<br />

ist. – Es ist das Subjekt des <strong>Wille</strong>ns, d.h. das eigene<br />

Wollen, was das Bewußtseyn des Singenden füllt, oft<br />

<strong>als</strong> ein entb<strong>und</strong>enes, befriedigtes Wollen (Freude),<br />

wohl noch öfter aber <strong>als</strong> ein gehemmtes (Trauer),<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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