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Arthur Schopenhauer - Die Welt als Wille und Vorstellung

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63548 <strong>Schopenhauer</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 473<br />

§ 46<br />

Daß Laokoon, in der berühmten Gruppe, nicht<br />

schreiet, ist offenbar, <strong>und</strong> die allgemeine, immer wiederkehrende<br />

Befremdung darüber muß daher rühren,<br />

daß in seiner Lage wir alle schreien würden: <strong>und</strong> so<br />

fordert es auch die Natur; da bei dem heftigsten physischen<br />

Schmerz <strong>und</strong> plötzlich eingetretener größter<br />

körperlicher Angst, alle Reflexion, die etwan ein<br />

schweigendes Dulden herbeiführen könnte, gänzlich<br />

aus dem Bewußtseyn verdrängt wird, <strong>und</strong> die Natur<br />

sich durch Schreien Luft macht, wodurch sie zugleich<br />

den Schmerz <strong>und</strong> die Angst ausdrückt, den Retter herbeiruft<br />

<strong>und</strong> den Angreifer schreckt. Schon Winckelmann<br />

vermißte daher den Ausdruck des Schreiens;<br />

aber indem er die Rechtfertigung des Künstlers suchte,<br />

machte er eigentlich den Laokoon zu einem Stoiker,<br />

der es seiner Würde nicht gemäß hält, sec<strong>und</strong>um<br />

naturam zu schreien, sondern zu seinem Schmerz sich<br />

noch den nutzlosen Zwang auflegt, die Aeußerungen<br />

desselben zu verbeißen: Winckelmann sieht daher in<br />

ihm »den geprüften Geist eines großen Mannes, welcher<br />

mit Martern ringt <strong>und</strong> den Ausdruck der Empfindung<br />

zu unterdrücken <strong>und</strong> in sich zu verschließen<br />

sucht: er bricht nicht in lautes Geschrei aus, wie beim<br />

Virgil, sondern es entsteigen ihm nur bange Seufzer«,<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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