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Arthur Schopenhauer - Die Welt als Wille und Vorstellung

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65092 <strong>Schopenhauer</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>als</strong> <strong>Wille</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorstellung</strong> 2017<br />

Erscheinung, nicht des Dinges an sich. <strong>Die</strong> Fliege ist<br />

am Morgen wieder da; sie ist auch im Frühjahr wieder<br />

da. Was unterscheidet für sie den Winter von der<br />

Nacht? – In Burdachs Physiologie, Bd. I, § 275,<br />

lesen wir: »Bis Morgens 10 Uhr ist noch keine Cercaria<br />

ephemera (ein Infusionsthier) zu sehn (in der<br />

Infusion): <strong>und</strong> um 12 wimmelt das ganze Wasser<br />

davon. Abends sterben sie, <strong>und</strong> am andern Morgen<br />

entstehn wieder neue. So beobachtete es Nitzsch sechs<br />

Tage hinter einander.«<br />

So weilt Alles nur einen Augenblick <strong>und</strong> eilt dem<br />

Tode zu. <strong>Die</strong> Pflanze <strong>und</strong> das Insekt sterben am Ende<br />

des Sommers, das Thier, der Mensch, nach wenig<br />

Jahren: der Tod mäht unermüdlich. Desungeachtet<br />

aber, ja, <strong>als</strong> ob dem ganz <strong>und</strong> gar nicht so wäre, ist jederzeit<br />

Alles da <strong>und</strong> an Ort <strong>und</strong> Stelle, eben <strong>als</strong> wenn<br />

Alles unvergänglich wäre. Jederzeit grünt <strong>und</strong> blüht<br />

die Pflanze, schwirrt das Insekt, steht Thier <strong>und</strong><br />

Mensch in unverwüstlicher Jugend da, <strong>und</strong> die schon<br />

tausend Mal genossenen Kirschen haben wir jeden<br />

Sommer wieder vor uns. Auch die Völker stehn da,<br />

<strong>als</strong> unsterbliche Individuen; wenn sie gleich bisweilen<br />

die Namen wechseln: sogar ist ihr Thun, Treiben <strong>und</strong><br />

Leiden allezeit das selbe; wenn gleich die Geschichte<br />

stets etwas Anderes zu erzählen vorgiebt: denn diese<br />

ist wie das Kaleidoskop, welches bei jeder Wendung<br />

eine neue Konfiguration zeigt, während wir eigentlich<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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